In der Entwicklung von Games werden Spieler*innen mit unterschiedlichen Voraussetzungen häufig übersehen. Menschen mit Behinderungen oder motorisch körperlichen Einschränkungen stehen in Spielen oft vor Barrieren. Vielleicht ist die Steuerung zu kompliziert oder die Orientierung schwierig. Spezielle Controller oder Spieleinstellungen können dabei helfen, diese Barrieren abzubauen. In der Fachwelt spricht man dann von assistiven und adaptiven Technologien. Assistiv meint grundsätzlich, dass diese Technik Menschen unterstützen kann. Adaptive Technik lässt sich darüber hinaus an spezielle Bedürfnisse anpassen.
Und auch wenn sich diese Technologien längst nicht aufs Gaming beschränken, gab es in den letzten Jahren neue Produkte großer Hersteller, die das Thema Barrierefreiheit und Gaming für ein breites Publikum sichtbarer machten. Allen voran veröffentlichten die Hersteller der größten Spielekonsolen Sony und Microsoft eigene Controller, die Spieler*innen nach den eigenen Bedürfnissen anpassen können. Bisherige Lösungen waren oft teuer und nur in Deutschland teilweise schlecht verfügbar.
Für ältere Menschen können Games aus ähnlichen Gründen herausfordernd sein. Vielleicht ist das Spiel sehr schnell und fordert eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit. Oder die Steuerung eines modernen Controllers ist kompliziert und die Tasten sind schwer zu erreichen. Das kann für Kinder und Jugendliche, die ganz selbstverständlich viele verschiedene Games an Computer, Konsole oder Handy bedienen, für Unverständnis sorgen. Für sie fühlt sich Gaming ganz natürlich an. Für viele ältere Menschen sind Projekte wie Silver Gaming allerdings der erste Berührungspunkt mit Gaming. Und häufig reicht dann ein offener, neugieriger Umgang miteinander und mit dem Medium, um für eine bereichernde Spielerfahrung zu sorgen.
Helfen können außerdem Konsolen und Spiele, die sowieso schon zugänglich gestaltet sind. Der japanische Spielehersteller Nintendo veröffentlichte 2006 die Spielekonsole Nintendo Wii, die eine einfache Bewegungssteuerung ermöglicht. Spieler*innen können so zum Beispiel Bewegungsabläufe von echten Sportarten imitieren. Das digitale Bowling wird so zu einer intuitiven Spielerfahrung. Spiele wie Mario Kart 8 bieten darüber hinaus ohne externe Technik Hilfestellungen. Das sonst eher hektische Rennspiel ermöglicht es Spieler*innen, die Spielgeschwindigkeit zu verlangsamen. Es lassen sich außerdem Hilfen bei der Steuerung aktivieren. Wer möchte, kann sich so ganz aufs Lenken konzentrieren, während das Spiel das Gas geben übernimmt.
Nicht immer reichen diese von den Spieleherstellern eingebauten Hilfestellungen aus. Dann können Controller wie der Xbox Adaptive Controller, der Access-Controller von Sony oder der Hori Flex Controller dabei helfen das Spielerlebnis anzupassen. Diese adaptiven, also anpassbaren Controller ermöglichen es, die Tasten der jeweiligen Konsole frei zu belegen. Außerdem lassen sie sich mit anderen Eingabegeräten kombinieren. Ein Kabel führt dann vom eigentlichen adaptiven Controller zum erweiterten Eingabegerät, zum Beispiel einem besonders großen Button. Dieser kann frei platziert werden. Wer möchte, kann ihn also auch auf den Boden legen und mit dem Fuß bedienen. Mit einem herkömmlichen Controller wäre das natürlich eine große Herausforderung. Der adaptive Controller übersetzt dann das Signal vom Fußbutton und gibt es weiter an die Konsole. Hier kommt am Ende eine Eingabe an, die sich nicht weiter von einem Knopfdruck auf einem konventionellen Controller unterscheidet. Die Technik dahinter ist aber alles andere als einfach. Und dann muss diese Technologie natürlich noch möglichst einfach anzuschließen sein. Dafür bedarf es häufig einer Begleitung und Übung mit dem jeweiligen adaptiven Controller, ganz zu schweigen von der passenden Verfügbarkeit, denn selbst die in Masse produzierten Xbox Adaptive Controller kosten ca. 100€ pro Stück.
Die Initiative Gaming ohne Grenzen und das Folgeprojekt Level Up setzen sich für Inklusion im Gaming ein. Auf der Projektseite werden weitere Technologien vorgestellt und mit detaillierten Anleitungen versehen. Dort gibt es auch Barrieretests von vielen beliebten Games und weiterführende Informationen: https://www.gaming-ohne-grenzen.de/technologien/
Gaming als kulturelles und soziales Phänomen profitiert ebenfalls von einer inklusiven Gestaltung. Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Fähigkeiten und Erfahrungen bereichern die Gaming-Community und tragen zu einer vielfältigen und kreativen Spielkultur bei. Die Gaming-Industrie hat in den letzten Jahren große Schritte unternommen, um das Spielen für alle zugänglich zu machen. Assistive und adaptive Technologien sind hierbei entscheidende Werkzeuge, die Menschen helfen, unabhängig von ihren Fähigkeiten an der Welt des Gamings teilzuhaben. Von speziell angepassten Controllern bis hin zu Eye-Tracking und Sprachsteuerung – die Entwicklungen gehen in eine vielversprechende Richtung.
Gerade im Alter kann die Teilhabe an Gamingkultur mit einigen Hürden verbunden sein. Intergenerative Projekte wie Silver Gaming schlagen dabei eine Brücke zu älteren Generationen, die in der Regel nicht die Zielgruppe von inklusiver Gaming-Technologie sind. Mit Begegnungen und Austausch zwischen Generationen können sich neue Perspektiven auf Gaming eröffnen. Was für die einen selbstverständlich ist, kann für die anderen eine Herausforderung sein – doch genau hier liegt das Potenzial: Wenn Jung und Alt gemeinsam zocken werden die Barrieren spielerisch abgebaut und alle können voneinander lernen. Barrierefreiheit sollte von Anfang an mitgedacht werden, dann profitieren nicht nur Menschen mit Einschränkungen, sondern alle Spieler*innen. Gaming wird dadurch vielseitiger, inklusiver und zukunftsfähiger.
Beitragsfoto © Anna Spindelndreier